Die Illusion der Anerkennung: Speziesismus in neuem Gewand

Die Illusion der Anerkennung: Speziesismus in neuem Gewand

Das Argument, Tiere nur dort zu schützen, wo sie „so sind wie wir“, ist nichts anderes als Speziesismus im Gewand der Anerkennung. Es blendet die Notwendigkeit einer neuen Rechtsebene aus – einer, die Tiere als Träger ihrer eigenen Einmaligkeit anerkennt: mit Freiräumen für ihr Denken, ihre Sprache, ihre tiersoziale, ökosoziale und genau dabei ihre historische Integrität. Solche Rechte wären nicht bloß ein Abklatsch des Menschenrechts, sondern ein Schutz vor menschlicher Gewalt, vor systematischem Speziesismus und vor dem, was man treffend als Faunazid – die Zerstörung tierlicher Welten – bezeichnen muss. Wer Tiere nur im Spiegel des Menschlichen anerkennt, stabilisiert die alte Hierarchie und verhindert genau jene neue Perspektive, die notwendig wäre.

Das Argumentationsmuster, Rechte für Tiere allein über ihre Ähnlichkeit zum Menschen zu begründen, wirkt auf den ersten Blick fortschrittlich. In Wahrheit erneuert es jedoch die alte Logik des Speziesismus. Statt Hierarchien abzubauen, stabilisiert es sie.

Denn wer Rechte nur dort gewährt, wo das Tier in bestimmter Hinsicht „so ist wie wir“, bestätigt implizit, dass allein das Menschliche der Maßstab bleibt. Damit wird nicht nur die Eigenständigkeit der Tiere ignoriert, sondern auch die Möglichkeit einer radikal anderen Rechtsethik blockiert – einer Ethik, die nicht anthropomorph, sondern tierlich, ökologisch, relational ansetzt.

Das Ergebnis: Die Besonderheiten tierlicher Gesellschaften, ihre historischen und ökologischen Verflechtungen, ihre eigene soziale und emotionale Komplexität verschwinden hinter der Schablone des „wie wir“. Fauna wird zur „Natur“ reduziert, nicht als Trägerin eigener Rechte begriffen, sondern als Empfängerin bedingter Zugeständnisse.

So bleibt auch der strukturelle Gewaltcharakter unsichtbar: Ökozid, die systematische Zerstörung von Lebenszusammenhängen, wird nicht als Unrecht anerkannt, solange er nicht am Modell menschlicher Opfer gemessen werden kann. Das vermeintliche Fortschreiten der Tierrechte gerät so zum Zirkelschluss: Man will Tiere schützen – indem man sie in den Rahmen zurückzwingt, der sie ursprünglich entrechtet hat.

Dieses Denken ist keine Emanzipation, sondern eine raffinierte Reproduktion des alten Schismas von „Natur“ und „Mensch“. Der Speziesismus tarnt sich hier als Empathie. Doch solange Tiere nur in dem Maße Rechtsträger sein dürfen, wie sie dem Menschen gleichen, bleibt die Hierarchie unangetastet.

Leitprinzipien für neue tierliche Rechte

  1. Recht auf Freiraum tierlichen Denkens
    – Tiere werden nicht reduziert auf das, was Menschen in ihnen wiedererkennen. Ihr Denken, Fühlen, Erleben darf eigene Bahnen haben, die dem Menschen unbekannt bleiben.
  • Recht auf Tiersprache und Ausdrucksformen
    – Tierliche Kommunikationsweisen, seien sie laut, still, chemisch, rhythmisch oder gestisch, haben Eigenwert und müssen respektiert werden.
  • Recht auf Einmaligkeit
    – Jede Tierart, jede Gemeinschaft, jede Lebensform hat ihre unverwechselbare Geschichte, ihre spezifische Lebensweise, ihr eigenes „So-Sein“. Dieses wird nicht nivelliert, sondern die Destruktivität ihm gegenüber als Hauptproblematik adressiert.
  • Recht darauf kein „Wissensobjekt“ einer menschlichen Definitionshoheit zu sein
    – Menschen müssen anerkennen, dass es Aspekte tierlichen Lebens gibt, die sie nicht definitorisch und in die Tiere beherrschender oder schädigender Weise verstehen oder erfassen können. Weder Wissen noch Unwissen dürfen ein Freibrief für Objektifizierung, Negation und Unrecht gegenüber tierlicher Würde und derer Integrität sein, sondern > Wissen und Unwissen über den andern, begründet sensible und vernünftige Zurückhaltung.
  • Recht auf Schutz vor menschlicher Gewalt
    – Tiere haben Anspruch auf Schutz vor menschlichem Unrecht, Destruktivität ihnen und ihren Lebensräumen (in voller Umfänglichkeit) gegenüber, einen Anspruch auf Freiheit von menschlicher Objektifizierung, Instrumentalisierung und individuellem oder systematischem Speziesismus.
  • Recht auf Lebensräume und ökologische Integrität
    – Der Schutz von Tieren umfasst immer auch ihre Ökologien und Lebenswelten. Die Vernichtung von Habitaten und tiersozialer Pluralität und Vielfalt ist Hauptmerkmal des Faunazids als Ganzem, die als ein Grund-Unrecht anerkannt werden muss – wobei hier das Hauptkriterium nicht eine verengende Sicht auf die Welt bilden kann, die typischerweise den uns als dominant bekannten Weltbildern entspringt, welche historisch „den Menschen“ als ein ungerechtes Maß aller Dinge festlegt. Das sind in dominanter Weise auf der einen Seite Vorstellungen, wie wir sie in den großen Weltreligionen vorfinden > der Mensch als Abbild eines allwissenden Herrschergottes. Auf den anderen Seite schließt sich die Klammer in dem „entseelten“ oder man müsste eher sagen den wesensvernichtenden hegemonial-anthropozentrischen Begriffen des naturwissenschaftlichen Denkens, das die Kategorie Homo Sapiens als Spitze von Sinn und Geist über andere Lebenswege und deren Sinnhaftigkeit in der Welt stellt.

Entwurf 05.10.25