Baum-Inseln und so auch wir
Nicht die Maschine ist schuldig,
sondern das Monolithische im Menschen,
das alles in sein Ebenbild zwingt.
Widerstand heißt,
die Vielheit wieder zuzulassen –
in Sprache, in Erinnerung, im Atem der Welt.
Denn was lebt,
will nicht eins sein,
sondern unendlich verschieden.
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Die gepflegte Unsichtbarkeit
(Notiz aus der Ära der Filter)
Man löscht heute nichts mehr – man sortiert es einfach weg.
Das Schweigen kommt algorithmisch, höflich, ohne Blut.
Eine Website verschwindet nicht, sie wird nur stillgestellt im Schattenkatalog der Suchmaschine, wo die Sonne der Sichtbarkeit nie hinkommt.
Google, Wikipedia, Kulturmagazine – sie alle kuratieren das, was sie selbst erzeugt haben: ein glattpoliertes Abbild, in dem alles Abweichende als „nicht relevant“ gilt. Und Relevanz ist nur, was schon zirkuliert – der endlose Spiegelverkehr des Bekannten.
Was also nicht anschlussfähig ist, wird nie sichtbar. Kein Streit, kein Verbot – einfach nichts.
Das ist die neue Eleganz der Kontrolle.
In der Punkbewegung, in autonomen Tierrechtskreisen, in den kleinen selbstgemachten Archiven und vergessenen Projekten sieht man das besonders: Die Stimmen, die etwas Neues, Wildes, Unbequemes tragen, werden nicht gehört, weil sie außerhalb des zitierten Kreislaufs stehen. Wikipedia verlangt Belege, die Presse verlangt Etiketten, und Suchmaschinen verlangen Masse.
Ein Buch? Ein Buch ist heute ein Zertifikat, nicht mehr eine Tat.
Ein Autor? Ein Inventarnummer im System.
Die Verlage drucken die Wiederholung, die Medien füttern den Algorithmus, und das Denken trocknet aus wie eine Landschaft, die man zu oft kartiert hat.
Und so wächst eine neue Art von Macht: keine offene Ideologie, sondern ein Strom, der alles Glatte bevorzugt.
Eine Kulturindustrie ohne Zentrum, ohne Zensor, aber mit einem gemeinsamen Hunger: dem nach Anschluss, nach Verkäuflichkeit, nach Lesbarkeit im eigenen Code.
Doch unter dieser Oberfläche glimmt etwas.
Die kleinen Inseln bleiben: Zines, Archive, anonyme Texte, brüchige Webseiten, Gespräche, die sich der Logik entziehen.
Sie sind nicht Gegenmacht, sondern Erinnerung – daran, dass Wahrheit kein Index ist, kein Ranking, kein Produkt.
Vielleicht ist das unsere Arbeit heute:
nicht mehr schreien, um gehört zu werden,
sondern sprechen, um nicht zu verlernen, was Stimme ist.
Nicht um im System zu glänzen,
sondern um im Rauschen Spuren zu hinterlassen, die kein Algorithmus lesen kann.
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